Abmahnung wegen Google-Bewertung? Warum die 1.000-Euro-Panikmache irreführend ist und der Weg über Google der bessere ist
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Sie haben Angst vor einer teuren Abmahnung wegen einer Google-Bewertung? Erfahren Sie, warum die direkte Abmahnung des Bewerters die Ausnahme ist und das anwaltliche Prüfverfahren bei Google – gestärkt durch den Digital Services Act (Art. 16 DSA) – der strategisch klügere und effektivere Weg ist, um Ihren Ruf zu schützen.
Einleitung: Die 1.000-Euro-Falle? Was wirklich hinter der Abmahnung für eine Google-Bewertung steckt
Artikel, die von Abmahnkosten in Höhe von 1.000 Euro für eine harmlose Drei-Sterne-Bewertung berichten, schüren bei Unternehmern gezielt Angst und Unsicherheit. Die Botschaft solcher Schlagzeilen ist simpel und alarmierend: Jede negative Kundenrezension sei ein potenzielles finanzielles Desaster. Diese Darstellung, so medienwirksam sie auch sein mag, zeichnet jedoch ein fundamental falsches Bild der rechtlichen Realität im modernen Reputationsschutz.
Die direkte, kostspielige Abmahnung des Verfassers einer Bewertung ist nicht die Regel, sondern die seltene Ausnahme. Die wahre Herausforderung für Unternehmen liegt nicht in der Auseinandersetzung mit einem bekannten Kritiker, sondern im Umgang mit anonymen oder pseudonymen Bewertungen, deren Urheber sich hinter der Fassade des Internets verbergen. Genau hier setzt der strategisch überlegene und in der Praxis etablierte Standardweg an: das anwaltlich begleitete Prüfverfahren direkt bei Google. Dieses Vorgehen ist nicht nur effizienter und kostengünstiger, sondern wurde durch jahrelange Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) und jüngst durch europäisches Recht gestärkt.
Dieser Artikel wird die beiden Vorgehensweisen - die direkte Abmahnung des Bewerters und das Prüfverfahren bei Google - detailliert vergleichen. Er beleuchtet die rechtlichen Hürden, erklärt die entscheidende Rolle des neuen Digital Services Act (DSA) und bietet eine klare, strategische Handlungsanleitung für jedes Unternehmen, das seine Online-Reputation wirksam schützen will.
1. Analyse der Schlagzeilen: Warum die direkte Abmahnung des Bewerters selten und oft ineffektiv ist
Der im BILD-Artikel geschilderte Fall des Stadtführers Jörg Schöpfel, der nach einer sachlichen Kritik 1.000 Euro Abmahngebühren zahlen musste, ist ein Extrembeispiel, das bewusst auf emotionale Resonanz abzielt. Es suggeriert ein einfaches Ursache-Wirkungs-Prinzip: Negative Bewertung führt zu hoher Rechnung. Doch dieses Narrativ ignoriert die entscheidenden rechtlichen und praktischen Hürden, die einer solchen direkten Abmahnung im Wege stehen.
Das Kernproblem: Anonymität im Netz
Der entscheidende Grund, warum die direkte Abmahnung in der überwältigenden Mehrheit der Fälle scheitert, ist die Anonymität der Bewerter. Um eine rechtlich wirksame Abmahnung zustellen zu können, benötigt das abmahnende Unternehmen den vollen Namen und eine zustellfähige Anschrift des Verfassers. Die meisten Google-Bewertungen werden jedoch unter Pseudonymen abgegeben.
Ein Auskunftsanspruch gegenüber Google zur Herausgabe der Nutzerdaten ist an extrem hohe Hürden geknüpft. Der Bundesgerichtshof hat einen generellen Anspruch bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen verneint und die Anonymität der Nutzer gestärkt. Nur bei schwerwiegenden Straftaten wie Verleumdung oder übler Nachrede kann die Staatsanwaltschaft im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens eine Datenherausgabe anordnen, doch selbst dies ist in der Praxis ein langwieriger und keineswegs garantierter Prozess. Der Fall aus dem BILD-Artikel stellt somit eine seltene Ausnahme dar, bei der die Identität des Bewerters offensichtlich bekannt oder auf anderem Wege ermittelbar war.
Hohe rechtliche Voraussetzungen und Kostenrisiken
Selbst wenn die Identität des Bewerters bekannt ist, muss für eine berechtigte Abmahnung ein eindeutiger Rechtsverstoß vorliegen. Eine bloß unliebsame oder kritische Meinung reicht nicht aus. Die Bewertung muss rechtswidrige Inhalte wie eine unwahre Tatsachenbehauptung, Schmähkritik oder eine Beleidigung enthalten. Die Abmahnung selbst muss zudem formale Kriterien erfüllen, darunter die genaue Beschreibung des Verstoßes und die Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.
Das Kostenrisiko ist ebenfalls erheblich. Die im BILD-Artikel genannten 1.000 Euro stellen die Anwaltskosten des abmahnenden Unternehmens dar, die bei einer berechtigten Abmahnung vom Verfasser der Bewertung zu erstatten sind. Sollte sich die Abmahnung jedoch als unberechtigt herausstellen, bleibt das Unternehmen auf seinen eigenen Kosten sitzen und muss unter Umständen sogar die Anwaltskosten der Gegenseite tragen. Ein anschließendes Gerichtsverfahren kann die Kosten schnell auf mehrere tausend Euro ansteigen lassen.
2. Der Standardweg im Reputationsschutz: Das anwaltliche Prüfverfahren bei Google
Anstatt den aussichtslosen Versuch zu unternehmen, einen anonymen Bewerter zu identifizieren und abzumahnen, konzentriert sich die moderne Reputationsverteidigung auf den eigentlichen Verantwortlichen für die Veröffentlichung der Inhalte: die Plattform selbst. Das anwaltlich begleitete Prüfverfahren bei Google, auch "Notice-and-Take-Down-Verfahren" genannt, ist der von der Rechtsprechung geformte und in der Praxis bewährte Standardweg, um rechtswidrige Bewertungen effektiv zu entfernen.
Die rechtliche Grundlage: Googles Prüfpflicht
Als Host-Provider ist Google nach deutschem Recht nicht verpflichtet, alle Inhalte proaktiv zu überwachen. Sobald Google jedoch durch einen konkreten und substanziierten Hinweis auf einen möglichen Rechtsverstoß aufmerksam gemacht wird, entsteht eine Prüfpflicht (sogenannte Störerhaftung). Ignoriert Google diesen Hinweis oder prüft nicht sorgfältig, haftet die Plattform selbst für die Rechtsverletzung. Diese Prüfpflicht wurde durch wegweisende Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) in den letzten Jahren immer weiter konkretisiert und verschärft.
Der Ablauf des Verfahrens in der Praxis
Das Prüfverfahren folgt einem klar definierten Ablauf:
- Anwaltliche Prüfung und qualifizierte Beanstandung (Notice): Ein spezialisierter Anwalt prüft die beanstandete Bewertung auf rechtliche Angriffsflächen. Anschließend verfasst er ein juristisch fundiertes Schreiben an die Rechtsabteilung von Google.
- Einleitung des Prüfverfahrens durch Google: Nach Erhalt der qualifizierten anwaltlichen Beanstandung leitet Google das interne Prüfverfahren ein.
- Stellungnahme und Beweislast des Bewerters: Der Bewerter erhält von Google eine Frist - oft sieben Tage -, um zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Hier liegt die strategische Stärke des Verfahrens: Die Beweislast wird effektiv umgekehrt.
- Entscheidung durch Google (Action): Reagiert der Bewerter nicht innerhalb der Frist oder kann er seine Behauptungen nicht ausreichend belegen, wird die Bewertung in den allermeisten Fällen von Google entfernt.
3. Europas Antwort auf Hass und Hetze: Wie der Digital Services Act (Art. 16 DSA) das Prüfverfahren stärkt
Die in Deutschland durch die BGH-Rechtsprechung etablierten Prüfpflichten für Plattformen haben seit dem 17. Februar 2024 eine neue, europaweite Rechtsgrundlage erhalten: den Digital Services Act (DSA). Dieses umfassende EU-Gesetzespaket zielt darauf ab, ein sichereres, faireres und transparenteres Online-Umfeld zu schaffen.
Artikel 16 DSA: Die Kodifizierung der "Notice-and-Action-Mechanismen"
Artikel 16 des DSA verpflichtet Hosting-Dienste wie Google gesetzlich dazu, klare und effektive Melde- und Abhilfeverfahren für rechtswidrige Inhalte bereitzustellen.
Die strategische Bedeutung des DSA für Unternehmen
Der Digital Services Act stellt eine massive Stärkung für das anwaltliche Prüfverfahren dar. Was zuvor auf nationaler Rechtsprechung basierte, ist nun verbindliches europäisches Recht. Verstöße gegen den DSA können für Plattformen zu drastischen Bußgeldern von bis zu 6% ihres weltweiten Jahresumsatzes führen.
4. Rechtswidrig oder nur unliebsam? Die entscheidende Abgrenzung für Unternehmer
Ein zentraler Grundsatz im Umgang mit Online-Bewertungen ist die in Artikel 5 des Grundgesetzes (GG) verankerte Meinungsfreiheit. Ein Löschungsanspruch entsteht erst dann, wenn die Äußerung die Grenzen der Meinungsfreiheit überschreitet und in die Rechte des Unternehmens eingreift.
Die häufigsten Gründe, die eine Bewertung rechtswidrig und damit löschbar machen, sind:
- Unwahre Tatsachenbehauptungen: Dies sind Aussagen, deren Wahrheitsgehalt objektiv überprüfbar ist.
- Schmähkritik: Von Schmähkritik spricht man, wenn eine Äußerung nicht mehr der sachlichen Auseinandersetzung dient, sondern ausschließlich auf die persönliche Herabwürdigung und Diffamierung des Gegenübers abzielt.
- Bewertungen ohne Kundenkontakt (Fake-Bewertungen): Jede Bewertung enthält die implizite Tatsachenbehauptung, dass der Verfasser eine tatsächliche Erfahrung mit dem Unternehmen gemacht hat.
- Verstoß gegen Google-Richtlinien: Unabhängig von der deutschen Rechtslage kann eine Bewertung auch dann gelöscht werden, wenn sie gegen die internen Inhaltsrichtlinien von Google verstößt.
| Äußerungsart | Merkmale | Beispiel in einer Bewertung | Rechtliche Einordnung & Handlungsempfehlung für Unternehmer |
|---|---|---|---|
| Zulässige Meinungsäußerung | Subjektiv, wertend, nicht beweisbar. | "Der Service war langsam und unfreundlich." "Das Ambiente hat mir nicht gefallen." | Grundsätzlich zulässig (Art. 5 GG). Nicht löschbar. Empfehlung: Professionell und sachlich antworten. |
| Wahre Tatsachenbehauptung | Objektiv, überprüfbar und wahr. | "Ich musste 45 Minuten auf mein Essen warten." (Wenn es stimmt) | Zulässig. Nicht löschbar. Empfehlung: Kritik annehmen, intern Prozesse prüfen, ggf. entschuldigend antworten. |
| Unwahre Tatsachenbehauptung | Objektiv, überprüfbar und nachweislich falsch. | "Die Rechnung war 50€ höher als vereinbart." (Wenn es nicht stimmt) | Rechtswidrig. Hohe Löschungschancen im Prüfverfahren. Empfehlung: Anwaltlich prüfen und Löschung beantragen. |
| Schmähkritik / Beleidigung | Diffamierung der Person im Vordergrund, keine sachliche Auseinandersetzung. | "Der Inhaber ist ein krimineller Betrüger." | Rechtswidrig. Sehr hohe Löschungschancen. Empfehlung: Sofortige anwaltliche Löschung, ggf. Strafanzeige prüfen. |
| Bewertung ohne Kundenkontakt | Verfasser war nie Kunde/Patient/Gast. | Eine 1-Sterne-Bewertung von einem unbekannten Namen ohne Text. | Rechtswidrig. Exzellente Löschungschancen durch Bestreiten des Kundenkontakts im Prüfverfahren. Empfehlung: Standardfall für anwaltliche Löschung. |
5. Ihr strategischer Fahrplan: In 4 Schritten gegen rufschädigende Google-Bewertungen vorgehen
Eine negative und potenziell rufschädigende Bewertung erfordert ein überlegtes und strategisches Vorgehen. Der folgende 4-Schritte-Fahrplan gibt Ihnen Sicherheit und zeigt den professionellen Weg auf.
Schritt 1: Ruhe bewahren und nicht öffentlich antworten
Der häufigste und zugleich schwerwiegendste Fehler, den Unternehmen machen, ist eine sofortige öffentliche Antwort auf die Bewertung. Mit einer Antwort wie "Es tut uns leid, dass Sie bei Ihrem Besuch unzufrieden waren" bestätigen Sie unfreiwillig, dass der Bewerter tatsächlich Kunde war. Damit hebeln Sie das stärkste juristische Argument für eine Löschung - das Bestreiten des Kundenkontakts - selbst aus.
Schritt 2: Beweise sichern
Dokumentieren Sie die Bewertung lückenlos für ein späteres anwaltliches Vorgehen. Fertigen Sie einen vollständigen Screenshot der Bewertung an, auf dem der Name des Bewerters, der Text, die Sterne-Vergabe und das Datum sichtbar sind.
Schritt 3: Kostenfreie anwaltliche Ersteinschätzung einholen
Bevor Sie weitere Schritte unternehmen, nutzen Sie das Angebot vieler spezialisierter Kanzleien für eine kostenfreie und unverbindliche Ersteinschätzung. Ein erfahrener Anwalt kann schnell beurteilen, ob die Bewertung rechtlich angreifbar ist und wie hoch die Erfolgsaussichten für eine Löschung sind.
Schritt 4: Das Prüfverfahren durch einen spezialisierten Anwalt einleiten lassen
Beauftragen Sie nach einer positiven Ersteinschätzung einen spezialisierten Anwalt mit der Einleitung des Prüfverfahrens bei Google. Der Anwalt wird eine juristisch stichhaltige Beanstandung formulieren, die den Druck auf Google maximiert und das Verfahren beschleunigt.